27.02.2016: 4=6 Die Downsizing Formel bei BMW und Porsche

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

4 = 6: Das würde euch so passen!

 

Wie sich Geschichte wiederholt.

"3=6"

Mit diesem Slogan warben die DKW-Leute (Vorgänger von Audi) in den 50er-Jahren für ihr Modell mit Dreizylinder-Zweitaktmotor. Sie wollten den Leuten weismachen, ein Dreizylinder-Zweitakter läuft genauso ruhig wie ein Sechszylinder-Viertakter. Da hatten sie aber die Rechnung ohne den Käufer gemacht. Der konnte nämlich sehr wohl Unterschiede in der Laufkultur feststellen. Zwar entspricht die Zündreihenfolge tatsächlich einem Sechszylinder Viertakter, aber das Laufgeräusch! Die blecherne Akustik entsprach nicht annähernd einem soliden Automobil, eher einem wildgewordenen Moped. Der Dreizylinder verschwand sang- und klanglos in der Versenkung.

60 Jahre (!) später wollen einige Automobilhersteller eine ähnliche Gleichung aufstellen:

"4=6"

Vier aufgeblasene Zylinder sollen besser sein als sechs Zylinder ohne künstliche Beatmung. Ob diese Un-Gleichung aufgeht, das sollte sich mal jemand genauer anschauen. Dieser Jemand hat einen Namen: Jacob Jacobson.

 

Ein gefährliches Spiel!

BMW-Werbung aus den 80er-Jahren für den 520i:

"In dieser Klasse sollten Sie sich nicht mit weniger als sechs Zylindern zufriedengeben."

Lang, lang ist´s her. Das positive Image von BMW gründet sich auf zwei Säulen:

1. Dem überragenden Sechszylinder-Reihenmotor und

2. dem Heckantrieb.

Leider gehen die Sachwalter des BMW-Erbes mit den markenprägenden Kerneigenschaften nicht gerade pfleglich um. Sie haben halt kein Benzin im Blut sondern nur staubtrockene Zahlen.

Als erste Amtshandlung schafften sie den Heckantrieb großflächig ab. Im nächsten Schritt musste der Sechszylinder-Reihen-Saugmotor dran glauben; zwangsläufig, denn sechs Zylinder in Reihe lassen sich mit Frontantrieb nicht kombinieren. Der in seinen Eigenschaften unerreichte Saugmotor musste einem mit Turbolader gedopeten Vierzylindertriebwerk weichen. Warum sie aber auch in den Heckantriebsfahrzeugen den Sechszylinder-Sauger durch diesen aufgeblasenen Vierzylinder ersetzen mussten, das verstehe wer will.

BMW ist aber nicht der einzige, der am Ast (und am Motor) sägt, auf dem er sitzt. Porsche geht denselben Weg. Wenn es ein Motorprinzip schafft, den Sechszylinder-Reihenmotor an Laufruhe und Akustik zu übertreffen, dann ist es der Sechszylinder-Boxer. Und dieser Motor ist für Porsche ein ebenso großes Alleinstellungsmerkmal wie der Reihen-Sechszylinder für BMW. Und genauso wie BMW gehen sie her und amputieren ohne Not zwei Zylinder. Da fehlt dem Puristen jegliches Verständnis.

"Laufruhiger Boxer … ein wesentlicher Vorteil … ist die hohe Laufruhe dank ausgeglichener Massenkräfte."

So positiv beschreibt ams den Vierzylinder. Pech für ams und Porsche: Der Autokritiker, und bestimmt nicht nur er, kann sich noch gut an die "herausragende Laufruhe" von Vierzylinder-Boxer-Motoren erinnern: im VW-Käfer und im Porsche 912.

 

Kistenweise Leserbriefe

Journalisten dürfen ihre Meinung meistens nicht ungefiltert zum Ausdruck bringen. Dazu müssen sie zu vielen Anforderungen gerecht werden. Nicht selten kann man beobachten, wie sie sich krampfhaft bemühen, einer Fehlentwicklung noch ein paar gute Seiten abzugewinnen. Leserbriefe kennen diesen Eiertanz nicht. Sie bringen ihre Meinung unverblümt zum Ausdruck. Ein paar Beispiele aus ams:

  • "Beeindruckender Motor mit viel Wums (Vierzylinder im Audi TT), aber in der Laufruhe kein Vergleich zum Sechszylinder."
  • "Man kaufte sich 328i, 325i und 330i der Baureihe E36 wegen ihrer einmaligen Laufruhe, Drehfreude, der einzigartigen Charakteristik und dem Klang."
  • "Nie dachte ich, dass Porsche im Boxster einen Vierzylinder bringen würde. Ein neuer 912. Hurra."
  • "Ich glaube, dass Boxster und Cayman nicht wegen des CO2-Ausstoßes auf Vierzylinder umgestellt werden, sondern weil sie zu dicht an der Ikone 911 waren."
  • "Mit dieser Geräuschemission wird der Niedergang von Boxster und Cayman eingeleitet, die immer mehr zu 911-Konkurrenten wurden."

Besser kann man die Vorzüge des Sechszylinders nicht auf den Punkt bringen.

 

Was bringt´s?

Lohnt sich die Schrumpfkur wenigstens? Vergleichen wir zu diesem Zweck die Daten des BMW 330i E90 aus dem Jahre 2007 mit dem 330i F30 von 2015.

 

 

Wie es aussieht, besteht der wesentliche Unterschied in einem deutlich niedrigeren Verbrauch. Dazu zwei Anmerkungen:

  1. Aus eigener langjähriger Erfahrung mit BMW Dreiliter-Sechszylindern beträgt der Durchschnittsverbrauch in der Praxis nur wenig mehr als 10 L/100 km.
  2. Die Motorentwicklung blieb in den acht Jahren zwischen den beiden Modellen nicht stehen. Das verwässert die Vergleichbarkeit, denn der Vierzylinder verfügt über Doppel-VANOS, Direkteinspritzung und weitere Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz. Schade, dass der Saugmotor nicht in den Genuss dieser Optimierungsmaßnahmen kam, denn nur so wäre ein fairer Vergleich möglich.

Auffallend beim Turbomotor ist die große Differenz zwischen NEFZ- und Praxisverbrauch von 67 Prozent! Ein Beweis, dass das Downsizing in erster Linie dem sterilen Prüfstandstest dient, weniger dem Nutzer im Alltagsbetrieb. Der Saugmotor war in dieser Hinsicht etwas ehrlicher. Er begnügte sich mit einer Differenz von 40 Prozent, was allerdings auch noch weit von einer brauchbaren Angabe für den Käufer entfernt ist.

Ein weiteres Gegenargument gegen das Downsizing liefert uns der Gewichtsvergleich. Das Modell Baujahr 2015 ist um 35 Kilogramm schwerer. Was ist aus den mit großem Pomp und Trara angekündigten Reduzierungen geworden? Wiegt etwa ein Turbolader mit seinen Ladeluftkühlern und Schläuchen mehr als zwei zusätzliche Zylinder?

Schließlich noch die Kosten. In den acht Jahren zwischen den beiden Fahrzeugen stieg der Preis um 6.200 Euro. Kein Pappenstiel selbst für abgehärtete Premium-Kunden. Ist Downsizing etwa teurer als Hubraum?

Wir fassen zusammen: Downsizing senkt den Verbrauch, erhöht Gewicht und Kosten.

 

Wie geht es weiter?

Könnte man das Rad zurückdrehen, würde man BMW empfehlen, die Kosten doch lieber in die Weiterentwicklung des Sechszylinder-Saugmotors zu stecken. Er hätte bestimmt noch jede Menge Potential. Wieviel, das werden wir leider nie erfahren.

Dass es anders kam, verdanken wir dem Dieselmotor. Denn durch die "Verdieselung" des Benzinmotors durch Downsizing und Turbolader erzeugt man einen universellen Baukasten. Identische Einbauverhältnisse und viele Gleichteile sind unschlagbare Argumente auf der Kostenseite.

Der Trend geht zu immer noch kleineren Hubräumen und weniger Zylindern. Müssen wir damit rechnen, in Zukunft wieder bei der Formel 3=6 zu landen wie eingangs? Für den Puristen spielt das keine Rolle mehr. Er ist bis dahin schon längst bei einem anderen Hersteller gelandet. Allerdings nicht bei Porsche. Dann schon eher auf dem Gebrauchtmarkt, um sich einen 330 E90 zu besorgen. Mit ca. 12.000 Euro ist man dabei.

 

27.02.2016 Jacob Jacobson

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