BMW Zweier Viertürer: Eine Riesenenttäuschung

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

BMW Zweier Viertürer: Eine Riesenenttäuschung

 

"Hurra, endlich wieder ein echter BMW!" Das war der spontane Ausruf bei der Ankündigung von BMW, einen 2er mit vier Türen auf den Markt zu bringen. Endlich ein würdiger Nachfolger der 3er-Baureihe. Langsam, langsam! Wieso Nachfolger? Den Dreier gibt es doch nach wie vor? Das stimmt, aber ist das noch DER Dreier, wie wir ihn seit dem E30 kennen? War das nicht einmal eine sog. Kompaktlimousine? Was ist bloß daraus im Laufe der Jahre geworden?

 

Mit jedem Modellwechsel legte der Dreier zu. Das waren noch Zeiten, als man beim E30 in der normierten Fertiggarage noch bequem ein- und aussteigen konnte, sogar beim Zweitürer.

 

Bei den Nachfolgemodellen ging es sukzessive bergab mit der Garagentauglichkeit. Spätestens ab E90 stieg man gerne vom Coupé auf die viertürige Limousine um, wenn man der Gefahr eines Bandscheibenvorfalls beim Einsteigen oder Verlassen des Fahrzeuges aus dem Weg gehen wollte. Beim nächsten Modell, dem F30 half selbst das nicht mehr. Dieser passt zwar noch in die Garage, erfordert aber schon artistische Verrenkungen beim Entern des Volants.

 

Vom 4er-Coupé ganz zu schweigen:

 

Das Fahrzeug bei einem Türöffnungswinkel von 20° unfallfrei zu verlassen, das schaffen nur Schlangenmenschen.

Was blieb dem BMW-Fan anderes übrig, als schweren Herzens und zähneknirschend auf den Einser umzuschwenken? Mit dem man zudem auch in engen Parkhäusern noch zurechtkommt.

 

Dann kam das 1er Coupé auf den Markt, von den BMW-Marketingstrategen inzwischen zum 2er Coupé umettikettiert. Vertritt dieser nicht die Tugenden des Dreiers in Reinform und ist somit der einzig legitime Nachfolger? Darauf ein eindeutiges "Jein", denn auch er ist in seiner Garagen- und Parkhaustauglichkeit nicht mehr weit vom F30 entfernt. Außerdem hat sich der frustrierte Einser-Fahrer an die Vorteile von vier Türen gewöhnt. Also wiederum Fehlanzeige.

 

Bleibt noch der X1 als Alternative. Auch da rümpft der Kunde die Nase. Ein SUV, mit Mehrgewicht, Mehrverbrauch, schlechteren Fahrleistungen, schlechterem Handling aber höheren Kosten als eine Limousine - nein danke. Außerdem erfüllt das Erscheinungsbild des X1 nicht die Erwartungen des BMW-Liebhabers.

 

Wie wär´s dann mit einem Zweier-Sports Tourer? Gott bewahre, da kommen zu allen negativen Gründen des X1 auch noch Frontantrieb, fehlende Sechszylindermotoren und ein anrüchiges Image dieser Gattung von Transportmitteln hinzu.

 

In dieser hochgradig ärgerlichen Situation erscheint dem BMW-Puristen der Zweier mit vier Türen als Hoffnungsschimmer, als letzte Rettung, als Leuchtturm in der Flut charakterloser Automobile. Die Freude ist allerdings nur von kurzer Dauer. Denn - Schreck lass nach - gleich nach dem Lesen der Schlagzeile fällt der Blick auf den deprimierenden Zusatz: Frontantrieb und Drei-/Vierzylindermotoren. "Da platzt mir doch gleich die Hutschnur." Die verunglückte Redewendung bringt es auf den Punkt. Frontantrieb und Vierzylindermotoren! Was ist nur in die BMW-Strategen gefahren? Warum geben sie einen wesentlichen Markenkern, den Heckantrieb, freiwillig auf und begeben sich auf ein Schlachtfeld, auf dem sich bereits Hunderte von nichtssagenden Wettbewerbsmodellen tummeln?

 

Schuld sind wahrscheinlich emotionslose Krämerseelen, die die Synergieeffekte mit der Frontantriebsplattform auf Heller und Cent genau berechnen können. Zur Spezies der trockenen Buchhalter gehört auch Norbert Reithofer. Ein Mann mit dem Charisma eines Leitz-Ordners. Diese hochnäsigen Typen glauben doch tatsächlich, der Kunde von heute merkt keinen Unterschied zwischen Front und Heckantrieb. Deshalb ist es ihm die Art des Antriebs völlig egal. Vermutlich haben sie Recht - für die meisten BMW-Fahrer gilt das. Nebenbei gefragt, warum sollte sich der unbedarfte Kunde überhaupt noch einen überteuerten BMW kaufen, wenn der sich von der großen Masse nicht mehr unterscheidet?

 

Der "echte" BMW-Fan kann sehr wohl Front- und Heckantrieb unterscheiden - und fühlt sich veräppelt. Da schwärmten jahrzehntelang die "Freude am Fahren"-Experten von den fahrdynamischen Vorteilen des Heckantriebs, und plötzlich gilt das nicht mehr? Verspielt BMW hier nicht seine Glaubwürdigkeit bei einer Klientel, die zu den Hardcore-Markenanhängern zählt? Und die immer noch als Meinungsbildner und Multiplikatoren eine Rolle spielen. Hier ist nicht der Ort, Front-und Heckantrieb analytisch miteinander zu vergleichen, das ist einem späteren Artikel vorbehalten.

 

Ganz sicher sind die BMW-Fronttriebler gelungene Fahrzeuge, was übrigens auch für die meisten Konkurrenten gilt. Von BMW hätte man allerdings erwartet, sich der Herausforderung zu stellen, den Heckantrieb auch in "kleineren" Modellen konkurrenzfähig auf die Straße zu bringen. Einser-Modelle mit Frontantrieb, Zweier-Modelle mit Heckantrieb, das wäre eine schlüssige Strategie gewesen.

 

Noch ein Wort zum Sechszylinder-Reihenmotor, einem weiteren Merkmal, bei dem sich BMW wohltuend vom Rest der Welt unterscheidet. Wie lange noch? Die aufgeladenen Vierzylindermotoren kannibalisieren den Sechszylinder in den mittleren Leistungsklassen. Die Sechszylinder, ihrerseits ebenfalls aufgeladen, weichen in die höheren und höchsten Leistungsklassen aus. Damit werden die entsprechenden Modelle für den Normalsterblichen unbezahlbar. Auch hier hätte man von BMW erwartet, dem Reihensechszylinder treu zu bleiben, ihn technisch wettbewerbsfähig weiterzuentwickeln und ihn zu erschwinglichen Preisen anzubieten.

 

"Così fan tutte", heißt die Oper von Wolfgang Amadeus Mozart. So machen es alle (Frauen). Auf die Automobilhersteller scheint das auch zuzutreffen. Alle machen Frontantrieb, alle machen Downsizing, alle machen Varianten über Varianten. Der Einzige, der sich bisher noch wohltuend unterschied, beugt sich dem Diktat des Mainstreams. Schade!

 

Jacob Jacobson 22.05.2015

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