Sportwagenvergleich in auto motor und sport

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

 

 

ams vergleicht fünf Sportfahrzeuge der 500 PS-Klasse: High Tech gegen Low Tech?

 

 

 

Darauf haben Puristen schon lange gewartet: Einen Vergleich der Chevrolet Corvette Z06 mit vier Konkurrenten mit höchsten sportlichen Ambitionen und in ähnlicher Preisklasse. Zu lesen in ams 17/2015.

 

„Jeder intelligente Narr kann Dinge größer, komplexer und gewaltsamer machen. Es braucht einen Anflug von Genie, die entgegengesetzte Richtung zu beschreiten.“

Dieser Spruch stammt von E. F. Schumacher, einem der führenden Ökonomen der 40er bis 70er Jahre, bestens bekannt durch sein Buch "Small is Beautiful". Was trifft auf unsere fünf Fahrzeuge zu, der erste oder der zweite Satz? Gibt es Unterschiede zwischen den Modellen? Das zu klären ist eine lohnende Aufgabe.

 

Ist die Corvette wirklich das Low-Tech-Fahrzeug, als das es immer wieder bezeichnet wird? Am Grundprinzip hat sich über die Jahre nicht viel geändert. Nach wie vor treibt ein großvolumiger Motor die Hinterachse an, allerdings hebt ihn eine Abgas-Turbo-Aufladung auf sein jetziges Leistungsniveau. Die Gänge werden per Hand sortiert. Für eine brauchbare Gewichtsverteilung sorgt eine Transaxle-Anordnung. Ein trotz offenen Dachs verwindungssteifes Alu-Spaceframe-Chassis ist die Basis für ein präzises Fahrverhalten. Der Vorgänger hatte noch ein Stahl-Chassis. Also ganz so rustikal wie seine Vorgänger tritt die Corvette Z06 nicht mehr auf.

 

Wie sieht es beim Jaguar aus? Eine Biturbo-Aufladung, eine Achtgang-Automatik, ein Allradantrieb mit Torque-Vectoring an der Hinterachse, das ergibt zusammen ebenfalls einen beträchtlichen Aufwand. Aber auch ein beträchtliches Mehrgewicht von 130 Kilogramm gegenüber der Corvette.

 

Auch der Aufwand von AMG beim GT S kann sich sehen lassen. Mit Biturbo leistungsgesteigert, Kraftübertragung auf die Hinterachse mittels Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe in Transaxle-Anordnung, Alu-Spaceframe Karosserie mit Alu- und Carbon-Anbauteilen. Trotz des kleineren Motors wiegt der Mercedes etwa 50 Kilogramm mehr als die Corvette, verfügt aber über die günstigere Achslastverteilung. Auch im Preis kann der AMG GT S nicht mithalten, er überbietet die Corvette um 20.000 Euro

 

Etwas ruhiger angehen lässt es Nissan beim GTR. Der hoch aufgeladene V6-Motor überträgt seine Kraft via Sechsgang DKG auf alle vier Räder, das war´s auch schon an Extravaganzen. Die selbsttragende Karosserie wirkt sich leider negativ auf Gewicht und Fahrverhalten aus.

 

Wenn es ein Fahrzeug in diesem prominenten Reigen gibt, auf das der erste Satz des Schumacherschen Sentenz uneingeschränkt zutrifft, dann ist das der Porsche 911 Turbo. Porsche ist ja bekannt dafür, speziell beim 911er alle Register zu ziehen (ziehen zu müssen), um im Kreis der Super-Sportwägen bestehen zu können. Die limitierenden Faktoren des 911er sind der Sechszylinder-Boxer-Motor hinter der Hinterachse und die selbsttragende Karosserie. Porsche versucht, diese Konzeptschwächen durch High-Tech zu kompensieren. Zum Beispiel besteht die Karosserie aus einem Mix verschiedenster Materialien.

Da ein größerer Hubraum nicht Platz findet, bekommt der Sechszylinder-Boxer des 911-Turbo zur Leistungssteigerung zwei Turbolader mit verstellbarer Geometrie verpasst. Das Ganze wird kombiniert mit einem Siebengang DKG-Getriebe mit Torque-Vectoring und Allradantrieb. Warum Allradantrieb bei der gewaltigen Hinterachslast des 911er? Erstens kommt dadurch etwas Gewicht auf die Vorderachse, und zweitens lassen sich noch ein paar Newton mehr an Kraft auf die Straße bringen, vor allem beim "Kavalierstart" und bei schlüpfrigem Untergrund. Darüber hinaus wurde der Hinterachse eine Lenkung verpasst. Sie stabilisiert beim schnellen Einlenken und beim Spurwechsel. Die gefürchtete "Heckschleuder" 911 Turbo mutiert mit diesen Maßnahmen zum idealen Rennfahrzeug für den Hobby-Racer. Neutral, leicht beherrschbar, verzeiht eine Menge Fahrfehler und ist trotzdem extrem schnell.

Aber der Aufwand hat seinen Preis: 165-Tausend Euro sind kein Pappenstiel, und der Porsche kostet somit um 44 Prozent mehr als die Corvette. Um in der gleichen Preisregion wie Corvette, Nissan und Jaguar zu bleiben, müsste Porsche eigentlich mit dem 911 Carrera DSG antreten. Der kostet 112.130,- Euro, hätte aber mit "mickrigen" 349 PS nicht den Hauch einer Chance. Porsche steht beim 911er und seinem antiquierten, aus Käferzeiten stammenden Konzept, mit dem Rücken zur Wand. Das bessere Sportfahrzeug aus dem Hause wäre eigentlich der Cayman mit Mittelmotor, welcher aber aus strategischen Gründen nie schneller sein darf als der 911er.

 

Der Autokritiker dokumentierte den weitreichenden Einfluss des Fahrzeug-Konzepts auf Gewicht, Straßenlage und Fahrleistungen bereits ausführlich auf der Seite - Leichtbau Lektion 3:Konzeptleichtbau -

 

So kam es wie es kommen musste. Die Corvette ist dank der überragenden Leistung und dem günstigsten Leistungsgewicht auf dem trockenen Kurs schneller als alle anderen, einschließlich des Porsches. Zur Ehrenrettung von Porsche gingen die Journalisten noch auf einen nassen Handlingkurs - überflüssigerweise muss man sagen. Denn die Performance auf nasser Strecke hängt in erster Linie von den Reifen ab und vom Allradantrieb, weniger von der Motorleistung. Ebenso die Beschleunigung bis 100 km/h, egal ob trocken oder nass.

Wesentlich aussagekräftiger wäre ein Vergleich auf dem trockenen Hockenheimring gewesen, oder die Beschleunigung bis 200 km/h ebenfalls auf trockenem Asphalt. Diese Werte verschweigt der Test - wohlweislich?

 

Fazit:

Keines dieser Fahrzeuge hinkt dem Stand der Technik hinterher, auch nicht die Corvette. Clever nutzten die Amis den Vorteil, mit der Corvette Z06 auf einem weißen Blatt-Papier anfangen zu können, und nicht auf Erblasten von Großserienmodellen Rücksicht nehmen zu müssen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es beweist auch, Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, selbst im Zeitalter des ausufernden Downsizings. Je niedriger der Ladedruck, desto dichter ist der Motor an einer Saugmotorcharakteristik dran, und desto besser ist das Ansprechverhalten auch ohne Tricks wie verstellbare Ladergeometrie.

 

Porsche muss sich trotz der Überlegenheit der Corvette nicht wirklich Sorgen machen. Ein Porsche ist ein Porsche ist ein Porsche. Fahrzeuge in dieser Preisklasse werden nicht wegen ihrer wirklichen Performance gekauft, sondern aus Image-Gründen. Und da steht Porsche in dieser Gruppe weit an der Spitze.

 

Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Geräuschentwicklung. Der Titel "Hitz´ und Donner" gibt bereits Aufschluss darüber, wie die Herren Journalisten die Geräuschkulisse sehen. Je lauter desto sportlich! Warum müssen straßenzugelassene Sportfahrzeuge brüllen wie die Stiere? Mit souveräner Kraftentfaltung hat das nichts zu tun, eher mit pubertärem Imponiergehabe. Vergleichbar höchstens mit "Auspuff-getunten" Motorrädern. Die Zulassung gleicht einem Wunder. ams sollte sich ebenso wie AutoBild Gedanken machen, ob diese Art der Umweltverschmutzung noch zeitgemäß ist, und schleunigst eine aussagekräftige Außengeräuschmessung einführen.

 

23.08.2015 Jacob Jacobson

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