Norbert Reithofer und BMW: Eine Erfolgsstory?

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

Norbert Reithofer und BMW: Eine Erfolgsstory?

 

BMW war in den knapp 10 Jahren unter der Leitung von Dr. Norbert Reithofer extrem erfolgreich. Die Stückzahlen stiegen von 1,2 auf über 2 Millionen, die Aktie von 40 Euro auf fast das Dreifache, Gewinn 5,8 Milliarden bei einem Umsatz von 80,4 Milliarden. Die beiden Hauptkonkurrenten im Premiumsegment wurden rein zahlenmäßig deutlich abgehängt. Regelmäßig verkündete der Vorstandsvorsitzende neue Rekordzahlen. Alles eitel Sonnenschein, also? Ist das alles ein Verdienst von Dr. Norbert Reithofer? Ist Reithofer der Mann mit dem goldenen Händchen?

 

Dr. Reithofer war der Musterknabe und Lieblingsschüler von Professor Joachim Milberg. Milberg schaffte es in seinen drei Jahren als Vorstandsvorsitzender, das Experiment Rover zu beenden und bei BMW neue Kräfte freizusetzen. Anschließend übergab er den Stab vorübergehend an den Platzhalter Helmut Panke, bis im Jahre 2006 der echte Nachfolger Norbert Reithofer das Amt übernehmen durfte. Beste Voraussetzungen also für diesen, die erfolgreiche Arbeit weiter fortzusetzen. Aber ein ehrgeiziger Musterknabe will nicht nur kopieren, sondern eigene Akzente setzen. Und das mit Hilfe des Werkzeugs, das er perfekt beherrscht, des Rechenschiebers.

 

"Nichts ist so gefährlich wie Erfolg." So lautet ein kluger Satz. Erfolg ist nicht deshalb so gefährlich, weil sich der Erfolgreiche auf seinen Lorbeeren ausruht. Ganz im Gegenteil, er strengt sich noch mehr an. Beim Erfolgreichen manifestiert sich der Glaube, der Erfolg beruhe einzig und allein auf seinem Geschick und Können. Daraus zieht er den verhängnisvollen Schluss, Erfolg sei planbar und machbar, und vergisst dabei ganz den Anteil von Glück, Zufall und günstigen Umständen. Mit geradezu wissenschaftlicher Akribie identifiziert er vermeintliche Erfolgskriterien, und leitet aus ihnen die Strategien für die Zukunft ab.

Für diese Vorgehensweise war Dr. Norbert Reithofer genau der Richtige. Er ist der Prototyp des Planers. In vielen internen Gesprächsrunden, so heißt es, wurde zu Beginn seiner Amtszeit die langfristige Strategie festgelegt. Was kam dabei heraus?

 

Elektrokleinwagen mit Kohlefaserchassis, Elektrohybridsportwagen, GT-Baureihe, Van (Gran Tourer), Dreizylindermotoren, Frontantrieb - da wurde heftig an den BMW typischen Marken- und Kernwerten manipuliert, um es vorsichtig auszudrücken. Hier ist nicht der richtige Ort, um die Modellpolitik genauer unter die Lupe zu nehmen. Man muss allerdings feststellen, dass sämtlichen Neuerungen der große Erfolg versagt blieb. Natürlich lässt sich alles prima argumentieren: Elektroantrieb für das Image, Van für die Stückzahlen, GT für die älteren Herrschaften, Dreizylinder und Frontantrieb für die Rendite. Man kann eine Marke aber auch überdehnen, man kann ihr die Seele rauben, man kann sie zu Tode rationalisieren. Alles schon mehrfach dagewesen.

 

Bisher hat Reithofer viel Glück gehabt. China, Russland, Brasilien - das Geschäft mit den hochpreisigen Premiumfahrzeugen lief prächtig. Was aber, wenn diese Geldquellen versiegen? Ungünstige Vorzeichen häufen sich. Und auf dem deutschen Markt fiel BMW zuletzt deutlich hinter Audi und Mercedes zurück. In der Zulassungsstatistik taucht der erste BMW, der Dreier, erst an 14. Stelle auf! (April 2015)

 

"Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum."

Wurde der "Rechenschieber" Dr. Reithofer ein Opfer dieses Sinnspruchs? Könnte es sein, dass die Aktionärsfamilie mit Dr. Reithofer nicht so ganz zufrieden ist? Wie sonst ließe sich erklären, dass ein 58-Jähriger Knall auf Fall seinen Chefsessel räumt, bzw. räumen muss? Die unmittelbare Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes ist doch reine Ver-schleierungstaktik. Zu reden hat er dort eh´ nichts. Und hat nicht Dr. Reithofer seinerzeit Susanne Klatten zu dem höchst defizitären Abenteuer Kohlefaser überredet, aufgrund angeblicher Synergieeffekte mit Windkraft-Rotoren? Auch das Abwandern von Herbert Diess zu VW wirft unangenehme Fragen auf.

 

Es rumort eindeutig bei BMW, auch wenn das Unternehmen unter allen Umständen diesen Eindruck vermeiden möchte. Eine Politik der ruhigen Hand sieht anders aus. Es gab nur ein-mal eine ähnlich turbulente Phase bei BMW, als Professor Milberg das Ruder von dem glücklosen Bernd Pischetsrieder übernahm. Dieser hatte BMW in das Rover Abenteuer gestürzt. Hoffen wir, dass sein Nachfolger und Musterschüler Dr. Norbert Reithofer nicht ein ähnliches Desaster hinterlassen hat. Die Zeit wird es zeigen.

 

Quelle SZ vom 11.05.2015

 

Hoffentlich macht Dr. Reithofer beim Verlassen des BMW-Vorstandes eine bessere Figur als beim Verlassen seines Vorzeigeobjektes, des i8.

 

 

Jacob Jacobson 19.05.2015

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