Mit dem Tesla zum Nordkap: Das letzte Abenteuer

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

Mit dem Tesla zum Nordkap - das letzte Abenteuer

 

Reiche Gutmenschen mit Sendungsbewusstsein

 

Was machen Millionäre/Milliardäre, wenn sie sich langweilen? Sie sponsern einen Fußballclub oder gründen eine wohltätige Stiftung. Oder sie suchen sich eine rekordverdächtige Herausforderung, bei der sie nebenbei auch noch die Welt retten (und Spendengelder einsammeln). Beispiele:

  • Sie bauen mit viel Geld ein Solarflugzeug und fliegen damit um die Welt, um zu zeigen, wie die Zukunft der Fliegerei aussehen wird - ihrer Meinung nach. (Siehe Sensation! Ein Solarflugzeug umrundet die Erde nur mit Sonnenenergie.)
  • Sie fahren mit Solarmobilen durch Australien, um auf umweltfreundliche Fortbewegung aufmerksam zu machen.
  • Sie basteln aus tausenden von Plastikflaschen ein Boot, um auf die Verschmutzung der Meere durch Plastikabfälle hinzuweisen.
  • Sie fahren mit einem Tesla von Gibraltar bis zum Nordkap um zu beweisen, dass Elektromobilität nicht an der vielgeschmähten Reichweite scheitert.

Falls diese Aktionen irgendetwas beweisen, dann höchstens, wie weit wir von sauberen Meeren, umweltfreundlicher Fortbewegung und nachhaltiger Fliegerei entfernt sind. Es gelingt quasi der Beweis des Gegenteils. Das könnte auch den unerschrockenen Abenteurern passieren, die sich auf die beschwerliche, 6.425 Kilometer lange Reise von Gibraltar zum Nordkap aufmachten - mit einem Tesla Model S.

 

Das Abenteuer Nordkap

 

Erinnern wir uns kurz an die 60er und 70er Jahre. In Studentenkreisen gehörte es damals zum guten Ton, einmal mit dem VW-Bus das Nordkap unsicher zu machen. Das war damals recht beschwerlich, hohe Komfortansprüche durfte man nicht stellen, und abends wurde das Zelt aufgebaut, Hauptsache billig. Zeit hatte man als Student jedenfalls mehr als Kohle, da spielte die Nerven- und Geldbeutel-schonende Reisegeschwindigkeit von 80 - 90 Kilometer in der Stunde keine Rolle. Wie sah es mit Tankstellen aus? Naja, ein Reservekanister mit 20 Litern konnte nicht schaden. Der VW-Bus war kein Kostverächter.

 

Wie anders verläuft heutzutage eine derartige Tour. Beispielsweise mit dem Campingmobil, wenn man es sich leisten kann. Verfügt man nicht über das nötige Kleingeld, tut es auch ein Fiat Panda, wahlweise Mini, Polo oder ein anderer Kleinwagen. Eine Reisegeschwindigkeit von ca. 100 km/h strengt weder den Motor noch den Fahrer an. Tankstellen gibt es bei einer Reichweite von 800 bis tausend Kilometern mehr als genug. Die Fahrt zum Nordkap hat also den Reiz des Abenteuers eingebüßt, und damit auch die Faszination bei den Studenten.

Was unterscheidet also die Nordkap-Tour mit einem 111.200 Euro teuren Tesla im Jahre 2015 von einem Studenten-Trip mit einem gebrauchten VW-Bus im Jahre 1970? Außer Kosten und Aufwand nicht viel. In einem Punkt sind sie sich einig: Schaffen sie es auf den eigenen vier Rädern oder müssen sie unterwegs auf andere Verkehrsmittel umsteigen?

 

Bei den Studenten war die Zuverlässigkeit des Transportmittels der alles entscheidende Faktor. Welches Kriterium gibt 45 Jahre später den Ausschlag? Die Reichweite mit einer Tankfüllung, pardon Akkuladung natürlich.

 

Ein Panda Diesel als Herausforderer

 

Die Wahl des Panda ist reine Willkür. Ebenso gut geeignet wären ungefähr 100 Modelle aus dem Kleinwagen- und Kompaktsegment. Hat der billige Panda (10.000 Euro) gegen den hypermodernen Tesla (111.200 Euro) eine Chance? Wir werden sehen.

 

 

Die Tabelle gibt die Schwierigkeiten mit dem Tesla nur unvollkommen wieder. Ständige Suche nach Lademöglichkeiten, permanente Beobachtung der Reichweitenanzeige, Verzicht auf Heizung und andere Stromfresser - das ist der nervige Zeitvertreib der Tesla Piloten. Jede Supercharger-Ladestelle muss angesteuert werden, auch wenn der Akku noch halb voll ist. Das bedeutet runter von der Autobahn, wenn man gerade schön in Fahrt ist, und einen Hinterhof mit den Ladestationen ansteuern.

 

Ein Panda amüsiert sich

 

Über den Tesla kann der Panda nur lächeln. Was für diesen ein Abenteuer (mit der Betonung auf teuer), ist für ihn ein lockerer Spaziergang. Bei Ankunft am Nordkap kann er direkt umdrehen und nach Gibraltar zurückfahren. Auf welchen Wegen der Tesla zurückfährt ist unbekannt. Jedenfalls nicht auf eigenen Achsen.

 

Der Panda kann, wenn gewünscht, diese Reise x-mal ohne Probleme wiederholen. Er ist für eine Lebensdauer von 300.000 Kilometern ausgelegt, ohne Leistungseinbußen. Beim Tesla scheiden sich die Geister. Die einen behaupten, ein Elektromotor verschleißt nicht. Andere meinen, die eigentlichen Verschleißteilteile sind die Batterie und ein Übermaß an Elektronik. Wenn in der komplexen Elektronik der Fehlerteufel zuschlägt, ist ein Totalschaden nicht ausgeschlossen. Und der Batterie tut das Superchargen bestimmt nicht gut. Leistungseinbußen sind vorprogrammiert.

 

Der Durchschnittsverbrauch des Panda ist mit 4,0 L/100 km stark konservativ geschätzt. Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 km/h lässt sich problemlos mit 3,5 L/min erzielen. Aber auch da steht der Panda noch nicht mit dem Rücken zur Wand. Mit einer verbrauchs-betonten Fahrweise (mit Segeln) und einem speziell auf niedrigen Verbrauch getrimmten Fahrzeug lässt sich die 3,0 L/100 km-Schwelle knacken. Dann neigt sich die Waage noch mehr zugunsten des Panda.

 

Well to Wheel - eine gern unterschlagene Betrachtung

 

Beim Verbrauch des Tesla würde man sich etwas genauere Angaben wünschen. Handelt es sich darum, was von der Zapfsäule in die Batterie fließt, oder was nach dem Aufladen in der Batterie steckt? Gerade bei der verlustreichen Schnellladung ein großer Unterschied.

 

Der nächste Fehler der Journalisten und Elektroanhänger: Sie rechnen entweder mit Zero Emission oder bestenfalls mit Verwendung von Ökostrom. Schon richtig, ein Elektromobil stößt beim Fahren keine Abgase aus. Aber beim Thema Ökostrom hört der Spaß auf. Denn Ökostrom ist eine Illusion. Es gibt ihn nicht. Denn der Strom aus regenerativen Energien vermischt sich im Netz mit dem "schmutzigen" Strom, sodass aus der Steckdose ein Mix aus allen Stromerzeugern kommt. Dieser Mix beträgt nach vorsichtiger Schätzung etwa 600 g/kWh. AutoBild vom 04.09.2015 rechnet mit 575 g/kWh, und unterscheidet sich damit deutlich von dem am 29.11.2013 veröffentlichten "Ökostrom-Wert" von 42 g/kWh. (Dem Ökostrom widmet sich demnächst ein eigener Beitrag.)

 

Resümee

 

Der Journalist von ams, Markus Stier, zieht das Fazit:

"Die Rekordfahrt löst selbstredend nicht alle Probleme der Elektromobilität."

Jacob Jacobson behauptet: Die "Rekordfahrt" löst nicht ein einziges Problem, im Gegenteil. Sie verdeutlicht recht anschaulich den Stand der Elektromobilität im Vergleich zur Welt der Alltagsfahrzeuge. Es verweist den Elektroantrieb in die Nische oder in die Spielzeugecke für Millionäre.

 

Eher peinlich ist der abschließende Vergleich des Tesla Abenteuers mit der Kon-Tiki. Thor Heyerdahl wies nach, dass Menschen ohne Motoren, nur mit den Kräften der Natur, also Wind und Strömung, über den Pazifik gelangten. Mit einem Elektroauto 6.000 km zurückzulegen, das stellt im Raumfahrtzeitalter niemand mehr in Frage.

 

Falls es den "Rekordhaltern" inzwischen langweilig wurde, könnten sie die Fahrt im Winter unter verschärften Bedingungen wiederholen. Und zwar hin und zurück, am besten gleich mehrfach.

 

Schließlich noch eine Empfehlung an Elon Musk: Wie wäre es, statt viele leerstehende Supercharger zu bauen, jedem Tesla-Kunden einen Panda kostenlos oben drauf zu legen. Das käme in Summe bestimmt billiger, für ihn und für die Kunden. Alternativ könnte er für Fernreisen einen Batterieanhänger entwickeln, der die Reichweite mehr als verdoppeln könnte.

 

Ganz zum Schluss noch ein Hinweis an Besitzer von Normalautos: Wenn Ihnen auf Autobahn oder Landstraße ein rollendes Hindernis ein zügiges Vorankommen erschwert, kann es sich durchaus um ein Elektromobil auf der Suche nach der nächsten Steckdose handeln.

 

20.09.2015 Jacob Jacobson

 

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