Vergleichstests mit VW-Beteiligung

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

Vergleichstests: Sechs VW unter den ersten Fünf.

 

Was ist passiert?

Welchem interessierten Leser von ams oder AutoBild wäre es noch nicht aufgefallen? Sobald ein VW (wahlweise Audi, Skoda, Seat) an einem Vergleichstest teilnimmt, egal ob Polo, Golf, Passat, Touran, Tiguan, oder deren Ableger, kennt man bereits den Gewinner. Ebenso wie die besten Skirennfahrer der Welt fraglos alle aus Österreich kommen, was Dirk Stermann im Buch „Sechs Österreicher unter den ersten Fünf“ satirisch aufs Korn nimmt, kommen mit Piëch und Porsche anscheinend auch die besten Autobauer aus Österreich. Zumindest war es bisher so, wenn man den Auto-Illustrierten trauen darf.

"Wes Brot ich ess´, des Lied ich sing." sagt der Volksmund. Wie alle Zeitschriften leben auch die automobilen Gazetten von der Werbung. Es wäre bestimmt unklug, die Kuh zu schlachten, die die meiste Milch gibt. Und die liefert fraglos der VW-Konzern. Hin und wieder muss man sich ernsthaft fragen, ob ams und AutoBild nicht doch Hauspostillen des VW-Konzerns sind. Dann versteht man auch die Motivation, den "Sponsor" gut aussehen zu lassen.

In AutoBild 42/2015 war es wieder einmal so weit. Der VW Golf deklassierte die gesamte Konkurrenz, bestehend aus Ford, Hyundai, Kia, Peugeot und nicht zuletzt dem neuen Opel Astra. Gut, dass Audi und Skoda nicht am Vergleich teilnahmen, sonst wäre es für die Konkurrenz noch schlechter ausgegangen. Da war AutoBild barmherzig und ersparte den Kandidaten weitere Demütigungen.

 

Vergleich Goldäpfel mit Holzbirnen

Kann uns AutoBild die Frage verübeln, ob bei diesen Tests alles mit rechten Dingen zugeht? Da gehen also die Redakteure zu ahnungslosen Händlern, und bestellen die Fahrzeuge wie ein ganz normaler Kunde, oder wie muss man sich das vorstellen? Reichlich naiv! Die Autos werden selbstverständlich von den Herstellern kostenlos angeliefert und vorher nach allen Regeln der Kunst präpariert. Nicht getürkt natürlich, wo denken Sie hin, nicht bei VW. Die Werke sorgen nur dafür, dass sich die Fertigungstoleranzen im Bereich des Optimums befinden.

Weitere taktische Winkelzüge betreffen die Sonderausstattung und die Bereifung. VW gelingt es immer, den Testern die größten Felgen und breitesten Reifen unterzujubeln. Bei den Versuchen zur Ermittlung der fahrdynamischen Eigenschaften ein unschätzbarer Vorteil, hängen doch mögliche Quer- und Längsbeschleunigung überwiegend von der Reifenqualität ab. Auf diese clevere Idee sind Opel und Peugeot auch schon gekommen. Ford, Hyundai und Kia träumen anscheinend noch den Traum der Ahnungslosen.

Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Denn breite Niederquerschnittsreifen verschlechtern den Komfort dramatisch. Gottseidank gibt es die automatische Dämpferverstellung DCC, für "läppische" 1.035 Euro. Damit stattet VW regelmäßig die Testfahrzeuge aus, natürlich auch unseren Golf. So schaffen sie den Zielkonflikt zwischen Fahrdynamik und Komfort aus der Welt. Ein Ergo-Active Sitz sorgt für weitere Pluspunkte bei Ergonomie und Komfort.

 

Preisvergleich

In der folgenden Liste sind der Grundpreis und der Testwagenpreis aufgeschlüsselt.

 

 

Als Diagramm dargestellt sieht der Preisvergleich folgendermaßen aus:

 

Bereits in der Grundausstattung übertrumpft der VW seine Konkurrenten deutlich, erst recht mit all den Sonderausstattungen. Noch deutlicher wird der Abstand im folgenden Diagramm:

 

 

Fast 9.000 Euro Preisunterschied zum billigsten, dem Kia Ceed, über 4.000 Euro immerhin noch zum Opel Astra. Man erkennt, der VW spielt preislich in einer anderen Liga. Das kann nicht ohne Konsequenzen bei der Bewertung bleiben.

 

Vergleich Leistung und Verbrauch

Ford, Peugeot und VW gönnen sich einen Motor mit zwei Litern Hubraum und 150 PS, Hyundai, Kia und Opel müssen mit einem 1,6 Liter Aggregat und 136 PS vorlieb nehmen. Das kostet den Opel Astra mindestens vier Punkte in den Fahrleistungen. Dass er gegenüber dem Golf punktgleich abschneidet, verdankt er seinem niedrigeren Gewicht. Der Astra ist um 95 Kilogramm leichter als der Golf.

Der kleinere Motor und das niedrigere Gewicht verhelfen dem Astra zum niedrigsten Testverbrauch im Feld. Mit 4,8 L/100 km schlägt er den in dieser Disziplin erfolgsverwöhnten Golf um 0,3 Liter. Wenn man weiß, wie hart gerade in dieser Klasse um jedes Zehntel gerungen wird, ein beachtliches Ergebnis.

 

25 Punkte - wo sind sie geblieben?

In der Endabrechnung fehlen dem Opel Astra zum VW Golf 25 Punkte. Wie kommt dieses Ergebnis zustande? Dazu müssen wir etwas genauer auf die einzelnen Bewertungsgruppen eingehen.

Karosserie:

Schon in der zweiten Zeile geht es los: Platzangebot hinten VW 17, Opel 14 Punkte. Ist dieses Kriterium mit maximal 20 Punkten nicht reichlich überbewertet? Wie häufig fahren vier Erwachsene in einem Kompaktfahrzeug? Für zwei Kinder und Kindersitze reicht es allemal.

Zuladung Astra 545 kg, Golf 458 kg. Für 100 kg mehr geben die Tester dem Astra gerade mal 1 mageres Pünktchen. Das ist zu wenig. Wenn ihnen die Zuladung so wenig bedeutet, könnten sie dieses Kriterium eigentlich ganz streichen.

Die Bewertungsmatrix enthält auch noch zwei subjektive Kriterien: Raumgefühl und Qualitätseindruck. Logisch, dass der VW gefühlsmäßig unschlagbar ist. Drei Minuspunkte packen sie dem Astra in den Rucksack..

Antrieb:

Für Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Drehfreude gibt es reichlich Punktabzug, dagegen für den Verbrauchsvorteil kaum Pluspunkte. Ein einziges Pünktchen mehr als dem Golf genehmigen die Journalisten dem Astra für seinen herausragenden Motor. Den Verbrauch so niedrig zu bewerten, das ist ausgesprochen ärgerlich und wirkt sich demotivierend auf die gesamte Branche aus.

Connected Car:

Das "billige" Navi des Astra für 790 € muss zwangsläufig schlechter sein als das High-End Navigationssystem Discover Pro des Golf für 2.515 €. Drei Punkte Abzug. Aber ist es um 1.725 € schlechter? Da hätte man ruhig die Kirche im Dorf lassen können und bei diesem Preisunterschied auf eine Bewertung verzichten.

Umwelt:

100 kg weniger Gewicht: 1 Punkt ; 7 g/km weniger CO2: 0 Punkte. Das ist der Dank der Tester an Opel. Jahrelang haben sie dem Astra vorgeworfen, er sei zu schwer und zu durstig. Kaum macht Opel seine Hausaufgaben, schon sehen die Tester großzügig darüber hinweg.

Komfort:

Bei der Federung muss der Astra mächtig Federn lassen. Da macht sich die Ausstattung des Golf mit DCC bezahlt.

Kosten:

Die meisten Vorteile des Golf beruhen auf kostspieligen Maßnahmen. Immerhin ist er um 15 Prozent teurer als der Astra. Von Nichts kommt Nichts. Wie äußern sich die Kosten in der Bewertung: 1 Punkt von 20 für den Golf, 6 Punkte für den Astra.

Soll das die finanzielle Situation des typischen Kompaktwagenkäufers widerspiegeln? Fünf Punkte für ein Preisdelta von 4.260 Euro. Das geht deutlich an der Realität vorbei. Natürlich kann jeder selbst entscheiden, ob ihm die Vorteile des Golf diesen Betrag wert sind. Nur leider wird kaum jemand sich die Mühe machen, den Test so akribisch zu analysieren wie der Autokritiker. Was hängen bleibt ist das Endergebnis und nicht, unter welchen Voraussetzungen es zustande kam.

 

Was kriege ich für mein Geld?

Wie geht ein potentieller Käufer an das Thema "Ein neuer Wagen muss her!" heran? Er schielt auf sein Konto und denkt sich: Wie viel kann ich mir leisten? Wo kriege ich am meisten für mein Geld. Angenommen, er will maximal 27.000 Euro in ein Fahrzeug der Kompaktklasse investieren. Er kauft sich AutoBild und überfliegt den Vergleichstest. Aha, denkt er sich, den Golf kann ich mir gerade noch leisten. Prima, er hat sogar den Vergleichstest gewonnen, den schnapp´ ich mir. Dabei übersieht er, dass der Golf nur mit Hilfe der teuren Extras den großen Vorsprung erzielte. Hätte man in den Astra noch 2.000 Euro investiert, wäre der Vorsprung mit Sicherheit knapper ausgefallen.

Noch knapper fällt das Ergebnis aus, wenn alle Konkurrenten beim gleichen Preisniveau starten, z.B. bei 25.000 Euro. Für den Golf würde es bedeuten, nicht mit dem 2.0 TDI einzusteigen, sondern mit dem 1.6 TDI, mit einem Basispreis von 23.900 Euro. Die Lücke von 1.100 Euro könnte der VW mit Sonderausstattungen schließen, z.B. mit breiteren Reifen.

Nur dann könnte man von einem fairen Vergleich sprechen. Nur dann würde sich zeigen, was ein Basisgolf ohne Highline Ausstattung, BMT, DCC und Navi-Discover-Pro wert ist. Der Autokritiker hegt die Befürchtung, dass wir darauf warten können bis zum St-Nimmerleinstag

 

Ein Phänomen namens Vergolfung oder Golfisierung?

Ganz geheuer scheint den Journalisten diese Dominanz selber nicht zu sein, sonst hätten sie nicht noch weitere Hitlisten erfunden, z.B. den Lustfaktor oder das Preis-Leistungs-Verhältnis. Aufschlussreich auch die verbale Beurteilung. Ein paar Beispiele:

Ford Focus: "Beim Fahrspaß überzeugt der Ford. … Im Focus macht das Schnappen nach kurvigen Landstraßen mächtig Spaß." Dafür gibt es leider keine Punkte. Dumm gelaufen.

VW Golf: "Typisch Golf: nicht aufregend, dafür auf angenehme Art ehrlich und gut." Doch, ehrlich heißt es, kein Druckfehler.

Da kann man nur resigniert feststellen: gut, aber todlangweilig.

Der dringende Rat an die Golf-Konkurrenz kann nur lauten: Baut den Golf nach, so gut wie möglich. Verkneift euch Extravaganzen wie ein agiles Fahrwerk (Ford), einen sparsamen Motor (Opel), ein kostenoptimiertes Gesamtpaket (Kia); vergesst Heckantrieb und Sechszylinder-Reihenmotor (BMW). Das wird von den Testern nicht honoriert. Sie mäkeln solange an der Beinfreiheit auf der Rücksitzbank herum, bis der letzte Individualist weichgekocht ist, und mit fliegenden Fahnen in das Golf-Lager übertritt.

Das aktuelle Bewertungsschema von AutoBild (aber auch von ams) stellt sicher, der Golf hätte in jedem Fall gewonnen, auch ohne Tricksereien. Er ist einfach zu gut. Wobei "gut" ist immer eine Frage der Interpretation. Es wäre höchste Zeit, die Matrix gründlich zu überarbeiten und zu reformieren. Damit nicht das eintritt, was etliche Journalisten selber schon beklagen: Eine Golfisierung oder Vergolfung, egal wie man es bezeichnet, der Kompaktklasse, ein Einheitsbrei an Golf-Klons ohne jegliche persönliche Note oder Ausstrahlung. Ist es wirklich das, was wir alle wollen?

 

 

03.11.2015 Jacob Jacobson

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