ams Spezial: So fahren wir morgen

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

auto motor und sport SPEZIAL: "So fahren wir morgen"

 

 

"Voraussagen sollte man unbedingt vermeiden, besonders solche über die Zukunft."

Bestimmt wollte Mark Twain damit zum Ausdruck bringen, dass Prognosen sehr leicht in die Hose gehen. Die tapferen Journalistinnen und Journalisten von auto motor und sport kann das nicht schrecken. Sie kennen keine Angst vor Blamage. Sie wissen natürlich ganz genau, wie die Verkehrswelt von morgen aussieht. Deshalb widmen sie gleich ein ganzes Sonderheft mit 150 Seiten einzig und allein der Thematik: "So fahren wir morgen." Lohnt es sich, 4,90 Euro dafür zu investieren? Jacob Jacobson versucht sich an einer Entscheidungshilfe.

 

Wie viele Autos verträgt der Globus?

Vor der Frage "Wie fahren wir morgen?" steht die Frage "Wie leben wir morgen?". Mit "Wir" ist natürlich die Weltbevölkerung gemeint. Statt 7,2 Milliarden drängen sich im Jahre 2050 rund 10 Milliarden auf unserem Globus. Von diesen 10 Milliarden leben dann 8 Mrd. in Städten. Das gibt ein schönes Gedränge!

 

Verkehrsprognosen gestern

Gerne macht man sich aus heutiger Sicht lustig über die Zukunftsprognosen vergangener Tage - zu Unrecht. Denn viele der Prophezeiungen sind eingetreten. Allerdings anders als es sich die Visionäre dachten. Die Realität hat die Prognosen weit überholt. Aus den Träumen von der Massenmobilität wurden Albträume. Das hindert ams nicht, ein eigenes Zukunftsszenario zu entwickeln.

 

Prognosen heute

Da haben die Grafiker ganze Arbeit geleistet. Obwohl, ein Foto hätte seinen Zweck genauso erfüllt, denn sich kreuz und quer überschneidende Straßen auf mehreren Ebenen sind schon längst Realität .

 

Expertenmeinungen

"Experten sind Teil des Problems, nicht der Lösung." Aus diesem Satz spricht eine Menge Lebenserfahrung. ams dagegen vertraut auf die Prognosen hochrangiger Wirtschaftskapitäne. Das kann natürlich nicht unkommentiert bleiben. Einige Beispiele:

Immer Wenn Topmanager (oder Politiker) das Wörtchen "WIR" in den Mund nehmen ist größte Vorsicht geboten. Denn es heißt für sie nichts anderes, als möglichst ungehindert so weitermachen zu können wie bisher. Mit den unangenehmen Begleiterscheinungen muss sich der Rest auseinandersetzen.

 

  • Martin Winterkorn stellt sich bestimmt nicht tagtäglich eine Stunde in den Stau auf dem Weg in sein klimatisiertes Büro. Und sein Gestaltungswille wird beherrscht von Verkaufszahlen.
  • Das musste natürlich kommen, das autonome Fahren. Dieter Zetsche bringt es aufs Tapet, zieht sich aber geschickt aus der Affäre. Weder gibt er einen Zeitpunkt an, noch nennt er Zahlen über den Prozentsatz autonom fahrender (stehender?) Fahrzeuge. Er weiß aber, dass seine Klientel die erste ist, die sich ein solches Fahrzeug leisten kann und wird. Schließlich möchte Dieter Zetsche auch weiterhin Autos verkaufen, und wenn möglich jedes Jahr mehr
  • Elmar Degenhart bemüht das Carsharing. Das Problem verstopfter Städte wird sich damit nicht in Luft auflösen. Das Gegenteil passiert, wenn auch noch die Autofahren, die sich kein eigenes Vehikel leisten können. Außerdem, war das Teilen von Fahrzeugen nicht schon bei jeder der drei (oder waren es vier?) Benzinkrisen ein großes Thema. Damals hieß es noch Fahrgemeinschaft. Das ist zwar nicht das gleiche wie Carsharing, aber es steckt dieselbe Idee dahinter. Hat es was gebracht? Doch, die Erkenntnis, dass sich Fahrgemeinschaften nur dann bilden, wenn es sich für den Einzelnen rechnet. Das heißt, der Stau löst sich nur über den Geldbeutel auf. Abgesehen davon braucht der Autoindustrie vor ein paar Tausend Sharing-Fahrzeugen nicht bange zu sein. Eher vor einem funktionierenden Personennahverkehr, aber auch der ist Utopie..
  • Peter Gutzmer gäbe auch einen guten Politiker ab, so nichts-sagend kommt sein Statement daher. Wichtige bzw. wichtig klingende Schlagwörter sind beiläufig eingestreut: Paradigmenwechsel, Mobilitätsmuster, Zukunft, virtuell. Sowas macht Eindruck.
  • Wo lebt Gernot Spiegelberg? In einer Parallelwelt? Der Witz vom Stehzeug ist uralt, älter vermutlich als Herr Spiegelberg selbst. Älter auch als das Elektromobil, der Unternehmensbereich, den er verantwortet. Auf dieses trifft der Begriff "Stehzeug" ganz besonders zu. Außerdem verschätzt er sich gewaltig in den Zahlen. Die Standzeit beträgt im Durchschnitt aller Fahrzeuge 97,5 Prozent, bei Elektrofahrzeugen sogar annähernd 99 Prozent
  • Liegt die Betonung auf "in" einem Volvo? Das Wohl der Insassen seiner Fahrzeuge liegt Volvo Chef Hakan Samuelsson ganz besonders am Herzen. Die übrigen Verkehrsteilnehmer sind ihm anscheinend eher gleichgültig. Wie Dieter Zetsche sucht er das Heil im autonomen Fahren. Unter zwei Bedingungen könnten seine Wünsche in Erfüllung gehen. Entweder ist die Marke Volvo bis dahin endgültig ausgestorben. Oder der autonome Volvo traut sich aus Angst vor einem Crash nicht mehr auf die Straße. Beides nicht ganz unwahrscheinliche Zukunftsszenarien.
  • Und schon meldet sich ein typisch fortschrittsgläubiger US-Amerikaner zu Wort. Jerry Brown will gleich die Gesetze ändern, vermutlich, um den selbstfahrenden Autos eine eingebaute Vorfahrt zu ermöglichen. Denn leisten können sich diese Fahrzeuge sowieso nur Betuchte, und denen kann man nicht zumuten, mit dem gemeinen Volk im Stau zu stehen.

 

Wem gehört die Zukunft?

Glaubt man den Werbeaussagen der Hersteller, so hat jeder von ihnen die Zukunft für sich gepachtet. Ein paar davon kommen in ams SPEZIAL zu Wort.

 

BMW:

BMW setzt auf das Elektroauto. Was bleibt ihnen auch anderes übrig, nachdem sie sich Hals über Kopf auf dieses Abenteuer eingelassen haben?

"Das E-Mobil ist umweltfreundlich, und es fährt auch dann noch, wenn die fossilen Energien zur Neige gehen." Das behaupten die Medien tagein, tagaus. Umweltbewusste Menschen glauben das. In Wirklichkeit fallen sie auf den größten Schwindel herein seit der Erfindung der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Dem Thema Elektromobilität widmet sich demnächst ganz detailliert ein eigener Technik-Artikel.

 

Mercedes:

So sieht die Zukunft bei Mercedes aus. Ein "Auto", in dem man mehr liegt als sitzt. Es fährt von allein. Futuristisch sieht er aus, der F015. Die Frontscheibe reicht bis zur Fahrzeugmitte. Da kann man den Treibhauseffekt hautnah erleben. Eigentlich bräuchte man überhaupt keine Frontscheibe. Man könnte sie durch einen Bildschirm ersetzen.

Drehbare Sitze für den Plausch mit der Familie? Der durchschnittliche Besetzungsgrad beträgt 1,2 Personen pro PKW. U-Bahn Fahrgäste wissen, wie "bequem" Sitze quer zur Fahrtrichtung sind, und meiden sie wenn irgend möglich.

Gegenläufige Türen zum bequemen Ein- und Aussteigen? Wer will, kann sich von der "Benutzerfreundlichkeit" dieses Konzepts schon heute überzeugen - am BMW i3. In engen Parklücken, Parkhäusern und Normgaragen bestimmt ein Vergnügen.

Ein Lenkrad braucht man nicht, das Fahren übernimmt Big Brother. Entspannt liegen die Passagiere in den Sesseln. Bis ihnen der Gurt die Halsschlagader aufschneidet. Das autonome Fahren verlangt geradezu nach einer kritischen Auseinandersetzung - demnächst in einem Technik-Beitrag.

 

VW:

VW gibt uns gnädigerweise noch einmal die Chance auf eine Zukunft. Aber nur im e-Golf oder im e-Up(s)!

"Think Blue", auf Deutsch "Denke Blau", was soll das bedeuten? Wäre es nicht klüger, sich nüchtern hinters Steuer zu setzen und über die Zukunft nachzudenken?

 

Fazit:

"Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn es um die Zukunft geht." (Karl Valentin)

Was kommt? E-Mobilität, Wasserstoffantrieb, Carsharing, autonomes Fahren, Car to Car-Vernetzung? Nach dem Lesen des ams SPEZIAL ist man bestimmt nicht schlauer. Hätte man das Heft schon vor 30 Jahren herausgebracht, es hätte nicht viel anders ausgesehen. Nur die grafischen Möglichkeiten und die Drucktechniken waren nicht ganz so gut.

Wenn all das Realität wird, was uns da an Zukunftsvisionen vorgegaukelt wird, dann findet die automobile Zukunft ohne Jacob Jacobson statt. Das wäre sein Beitrag zur Verkehrsberuhigung.

Ach übrigens, die 4,90 Euro können Sie sich sparen. Wenn Sie wissen wollen wie die automobile Zukunft aussieht, sparen Sie für einen Besuch in Tokio, Shanghai, Peking, Kairo, Mexico City u.ä. Aber vergessen Sie die Gasmaske nicht, und den Revolver im Handschuhfach.

 

 

Jacob Jacobson 09.07.2015

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