Der Autokritiker
Jacob Jacobson
puristisch - kritisch - anregend
21.03.2016
BMW: Die vielleicht mutigste Autofirma der Welt?
Anlässlich der 100-Jahr-Feier von BMW stimmt der Chefredakteur im Editorial von auto motor und sport Heft 7/2016 seine fällige Lobeshymne an und schwärmt:
"Die vielleicht mutigste Autofirma der Welt."
Das Sprichwort besagt: "Dem Mutigen gehört die Welt." Ein typischer Fall von selektiver Wahrnehmung, denn von 100 Mutigen zieht lediglich ein Einziger das große Los. Nur er wird wahrgenommen, die 99 anderen verschwinden in der Versenkung.
Die große Frage aber lautet, basierten die Erfolge von BMW wirklich auf echtem Mut? Auf dem Mut der jeweiligen Führungskräfte zu zukunftsorientierten und markenprägenden Entscheidungen? Oder war vielleicht sogar einiges davon Übermut, der das Image der Marke hin und wieder aufs Spiel setzte?
Das Gegenteil von Übermut ist der Mut der Verzweiflung. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, ist Mut eine Frage des Überlebens. Wie anders könnte man die folgende Aussage von Norbert Reithofer interpretieren:
"Wir müssen die mutigste Autofirma der Welt sein."
Mit der Betonung auf müssen. Das klingt schon mehr nach Getriebenheit, nach Re-Actio statt nach Actio, nach Rechtfertigung, Zwang und Fremdsteuerung statt nach wohlüberlegtem, souveränem Umgang mit den Herausforderungen der Zukunft.
Der Chefredakteur und Schreiber des Editorials nennt Beispiele für den Mut von BMW: 2002 Turbo, M1, i-Drive, i3, i8, Gestensteuerung und ferngesteuertes Ausparken.
Da kann man sich Kommentare nur schlecht verkneifen:
Die Liste der "mutigen" Negativbeispiele ließe sich noch beliebig verlängern:
Bis hierher alles Beispiele eher für Übermut als für Mut. Aber Bescheidenheit war in der Ära Reitzle/Bangle/Göschel nicht angesagt. Zum Glück für BMW blieben diese Ausrutscher ohne schlimme Folgen. Das BMW-Image war halt immer schon unglaublich strapazierfähig. Vielleicht hätte BMW noch viel mehr Erfolg haben können, mit wirklich mutigen Entscheidungen? Mit Entwicklungen gegen den Mainstream, mit etwas mehr Respekt vor dem Design-Erbe und etwas weniger High Tech?
Gibt es denn gar keine positiven Beispiele für mutige Entwicklungen die Furore machten und die Marke BMW profilierten? Doch, die Beispiele gibt es:
Das sollte genügen um zu zeigen, dass häufig nicht weitblickende Unternehmensentscheidungen eine wichtige Rolle spielten, sondern die Leute an der Basis, die mit Herzblut und Engagement ihre ganz persönlichen Träume umsetzten. Oft gegen Widerstände von oben.
Soweit die Historie. Wie aber sieht es in der jüngeren Vergangenheit aus? Leider nicht gut. Was man zurzeit beobachten kann, ist eine Modellpolitik nach dem Motto: Kein Risiko eingehen, alles abdecken, was irgendwie nach Nische aussieht.
Das sollte genügen um zu zeigen, dass BMW eine klare Linie längst abhanden gekommen ist. Statt sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, folgt man lieber dem Mainstream. Die Devise lautet Diversifizierung des Modellangebots, Besetzung noch so kleiner Nischen und Verfolgung aller denkbaren Technologien. Kleinmut statt Mut? Man kann einen Markenkern auch überdehnen.
Welchen Eindruck erweckt diese Strategie des "me too" beim Kunden? In erster Linie Langeweile, und in zweiter Hinsicht Überforderung bei der Modellauswahl. Alles nur Denkbare anzubieten und dem Kunden die Entscheidung zu überlassen, war in der Warenwelt noch nie eine gute Strategie.
Sich vom Mainstream zu lösen, etwas anders zu machen als die gesamte Konkurrenz, dazu braucht es wirklich Mut. Was wären in der Situation von BMW wirklich mutige Entscheidungen gewesen?
Leider sind diese Vorschläge unter BMW-Niveau. Sie erfüllen nicht den Premium-Anspruch, dieser obersten Maxime aller BMW-Entwicklungen.
Zurück zur Einleitung. Der Schreiber des Editorials ist sich nicht sicher, ob seine Behauptung stimmt, sonst hätte er nicht das Wörtchen "vielleicht" eingefügt. Es gibt ein ganz spezielles Unternehmen, auf das die Auszeichnung "mutigste Autofirma" besser passt. Die Rede ist von Mazda. Der jüngste Beweis: Der neue MX-5. Das sollte ams mal in einem mutigen Bericht würdigen.
21.03.2016 Jacob Jacobson
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