Der Autokritiker
Jacob Jacobson
puristisch - kritisch - anregend
BMW i3: Die Revolution kann warten.
Der Anspruch
BMW entwickelt ein sog. Mega-City-Vehicle und nennt es i3. Trifft BMW mit diesem E-Mobil den Nerv der Großstadtbevölkerung oder wurde am Bedarf vorbei entwickelt? Sechs Milliarden Euro hat die Entwicklung zusammen mit dem i8 angeblich gekostet. Eine Fehlinvestition in dieser Größenordnung kann sich selbst ein reicher Hersteller wie BMW nicht oft leisten. Ist der i3 nun ein Mega-City-Vehicle oder ein Mega-Flop?
Bei der Präsentation wurde BMW nicht müde, das Auto als "Revolution im Automobilbau" zu bezeichnen. Dankbar griffen die Medien diese Steilvorlage auf. So schrieb z.B. der Stern:
"Was BMW mit dem i3 auf die Räder gestellt hat, sprengt alles Übliche und hat mit klassischem Fahrzeugbau nicht mehr viel zu tun: ein Chassis aus Aluminium, eine Karosserie aus Karbon, eine weitgehend klimaneutrale Herstellung. "Es ist ein größerer Schritt als damals von der Kutsche zum Auto", sagt BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer."
Markige Worte. Wurde der Journalist Opfer einer Gehirnwäsche oder steckt hinter dem Wortgeklingel auch Substanz? Diese Frage gilt es zu klären.
Großstadttauglichkeit
Lassen wir mal den hochtrabenden Begriff "Mega-City-Vehicle" beiseite und fragen uns: Was zeichnet ein großstadttaugliches Fahrzeug aus? Es ist klein, agil, wendig, übersichtlich, praktisch, leise, sparsam, komfortabel, umweltfreundlich, bietet Platz für vier Personen und ist jederzeit verfügbar. Etwas Wichtiges vergessen? Allerdings, auch ein Normalsterblicher muss es sich leisten können.
Der i3 von BMW erfüllt viele Kriterien. Wer zum ersten Mal den i3 fährt, anlässlich einer Probefahrt z.B., ist sofort begeistert. Die mühelose Beschleunigung, der leise Antrieb, der enge Wendekreis, die Agilität, die Übersichtlichkeit - das alles macht das Fahren in der Stadt zum Genuss. Fast scheint es, als hätte BMW alles richtig gemacht.
Theorie und Praxis
Grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, ob ein Elektromobil für eine Firma wie BMW der richtige Ansatz ist. Wenn aber die Strategen in den Chefetagen und dem Marketing meinen, dass es für das Image eines fortschrittlichen, innovativen Herstellers unabdingbar ist, müssen es die Techniker umsetzen, ob sie wollen oder nicht. Versetzen wir uns ganz kurz in die Lage der Experten bei der Konzipierung des i3, und versuchen deren Überlegungen nachzuvollziehen.
"Lithium-Ionen-Batterien sind schwer und teuer. Deshalb nehmen wir eine möglichst kleine Batterie. Die eingesparten Kosten investieren wir lieber in eine gewichtsoptimierte Karosserie. Damit sparen wir doppelt Gewicht, was sich positiv auf den Verbrauch und die Reichweite auswirkt. Dann kann auch der Elektromotor kleiner werden, hat damit einen besseren Wirkungsgrad, was eine weitere Verbesserung der Reichweite ergibt. Das niedrige Gesamtgewicht ermöglicht hervorragende Fahrleistungen."
Soweit die Theorie. In diesen Überlegungen stecken aber mehrere Denkfehler:
Hat BMW also zu den typischen Nachteilen eines Elektromobils noch ein paar hausgemachte hinzugefügt? Eigentlich sollte doch aus der Kombination von Elektroantrieb und Carbonkarosserie etwas Größeres entstehen, mehr als die Summe der Einzelelemente. In Wirklichkeit heben sich die beiden gegenseitig auf.
Die Euphorie der Probefahrt verfliegt sehr schnell, spätestens beim Blick auf die Preisliste. Und selbst wenn man die Grundvoraussetzungen für ein E-Mobil erfüllt, nämlich ein gut gefülltes Portemonnaie, einen Zweitwagen und eine Doppelgarage mit Starkstromanschluss, muss man sich erst noch mit dem polarisierenden Design anfreunden.
Schließlich noch eine Bemerkung zu den gegenläufigen Türen. Sie sind der Carbonkarosserie ohne B-Säule geschuldet. Aber sie sind definitiv unpraktisch. Vor allem, wenn mehr als zwei Personen im engen Parkraum gleichzeitig einsteigen wollen. Das ist eine echte logistische Herausforderung. Echte MCVs brauchen hinten eine Schiebetür.
Was hätte BMW anders machen können?
Das höhere Gewicht verschlechtert zwar die Fahrleistungen, außer man verwendet eine stärkere E-Maschine. Aber auf ein paar Zehntelsekunden mehr bis 100 km/h kommt es nicht an. Viel wichtiger ist, dass man ab und zu das Strompedal voll durchtreten darf, ohne mit einem Auge auf die Reichweite zu schielen. Denn schlimmer noch als zu wenig Leistung ist Leistung im Überfluss, die man nicht abrufen darf.
Wie geht es weiter?
In Vergleichstests sieht der i3 gar nicht gut aus. Lediglich das Kapitel Fahrspaß gewinnt er. Leider ist das bei Stadtfahrzeugen nicht oberste Priorität, nicht einmal bei einem BMW. So ereilt ihn vermutlich ein ähnliches Schicksal wie den Audi A2. Auch dieser war zu progressiv, zu teuer und zu hochbeinig.
Angesichts der geringen Stückzahlen fahren aber noch erstaunlich viele dieser mittlerweile 10 bis 15 Jahre alten Fahrzeuge munter durch die Gegend, ohne erkennbare Alterserscheinungen. Ob dem i3 das ebenso gelingt, darf bezweifelt werden.
Wenn man den BMW-Leuten um Norbert Reithofer Vorwürfe machen kann, dann vor allem folgende:
Die BMW-Mannen haben sich viel Mühe gegeben - leider am falschen Objekt. Wie behauptete ein ehemaliger Werbespruch:
"Mühe allein genügt nicht."
Jacob Jacobson meint, man darf auch den Kundennutzen nicht aus dem Auge verlieren.
Tut uns leid, Herr Dr. Reithofer, die "Revolution" findet leider nicht statt.
03.07.2015 Jacob Jacobson
PS:
- Eine generelle Kritik an der Elektromobilität finden Sie demnächst unter der Rubrik Technik.
- Über die besondere Beziehung von BMW für den Werkstoff Carbon berichtet ausführlich der Artikel BMW und Carbon.
Hier ist Platz für Ihre