Das Prinzip Verantwortung am Beispiel VW

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

Das Prinzip Verantwortung

 

Wundern Sie sich auch, wie schnell Martin Winterkorn die Verantwortung für das VW-Drama übernahm - und das Weite suchte? Und wie reibungslos Aufsichtsräte und Medien diese überstürzte Flucht als verantwortungsvolles Handeln akzeptierten?

 

Wie ist es möglich, Ulrich Hackenberg, dem langjährigen Entwicklungsvorstand von VW und Audi einfach den vorgezogenen Ruhestand anzubieten, bevor seine Beteiligung an den Abgas-Betrügereien restlos aufgeklärt ist? Einem Mann, der in Medien bei gelegentlichen mehrseitigen Interviews mit unterwürfigem Respekt behandelt wurde? Seine Verantwortung besteht darin, den angebotenen Ruhestand zu akzeptieren.

 

Was wird aus Rupert Stadler, nachdem feststeht, dass auch Audi keine saubere Weste besitzt? Er war der Musterknabe im VW-Imperium schlechthin, als Nachfolger von Winterkorn ganz oben auf der Kandidatenliste. Kommt er um einen Rücktritt herum, oder wird seine Rolle klein geredet und er bleibt weiterhin im Amt? Wie sieht seine Verantwortung bei diesem Thema aus?

 

Ja, zurzeit wird wieder einmal viel über Verantwortung geredet. Aber wird Verantwortung auch gelebt? Vorstände begründen ihre astronomischen Bezüge gerne mit der riesigen Verantwortung, die sie für das Unternehmen, die Belegschaft und die Aktionäre tragen müssen. Wie aber sieht gelebte Verantwortung in der Praxis aus? Läuft das Geschäft gut, schreiben es die Manager ihrem genialen Führungsstil zu, und genehmigen sich erst einmal einen ordentlichen Aufschlag auf ihren Verdienst. Läuft der Laden schlecht, liegt es natürlich an den äußeren Umständen. Wenn sich Missmanagement beim besten Willen nicht mehr vertuschen lässt, kommt es im Extremfall zum Goldenen Handschlag. Die Führungskräfte werden von ihren Aufgaben entbunden, und mit etlichen Millionen vorzeitig entlassen. Damit sie nicht in Altersarmut abrutschen, bleiben ihre Rentenansprüche natürlich in vollem Umfang erhalten.

 

Der Autokritiker meint, irgendetwas stimmt hier nicht. Verantwortung sieht anders aus, und kann deshalb als Begründung für die exorbitanten Gehälter nicht herhalten. Es gibt nur einen einzigen Grund dafür, und der heißt "Risiko". Die hohe Verantwortung muss mit dem Risiko des Scheiterns verknüpft sein. Das Risiko muss darin bestehen, dass im Falle des Scheiterns der Vorstand haftbar gemacht werden kann. Und nicht nur der Vorstand, auch der Aufsichtsrat muss Verantwortung in Form von finanziellen Risiken tragen.

Bei Martin Winterkorn ist die Sachlage einfach. Entweder er wusste von den Gesetzesverstößen, dann ist er kriminell. Oder er hatte keine Ahnung, dann ist er unfähig. In beiden Fällen kann man ihn für das Desaster zur Rechenschaft ziehen.

 

Die Frage ist allerdings, wer sollte das tun? Vielleicht der Aufsichtsrat? Selbiger ist in den meisten Unternehmen ein zahnloser Tiger, mit den Vorständen vernetzt und verbandelt. Die Verantwortung der Aufsichtsräte besteht in der Rolle von Nick-Kaspern, die ohne zu hinterfragen alles abnicken, was ihnen vorgelegt wird. In Krisensituationen reagieren sie wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen und wälzen die Verantwortung auf den nächstbesten ab, der ihnen unter die Augen kommt. Armer Matthias Müller.

 

Oder vielleicht sollte der Betriebsrat die Konsequenzen ziehen? Vor allem der langjährige Vorsitzende Bernd Osterloh, ein Weggefährte von Piech und Winterkorn? Da kann man lange warten. Osterloh hat ein gutes Sitzfleisch, so leicht lässt der sich nicht aus dem Amt drängen. Im Gegenteil, er läuft jetzt zu voller Größe auf und hilft - eigenen Angaben zufolge - tatkräftig mit, das Vertrauen der Kunden in VW wieder herzustellen - ohne einen Hauch von Eigenkritik. Das klingt eher nach Teil des Problems als der Lösung.

 

Sowohl Betriebsrat als auch Aufsichtsrat suchen jetzt akribisch die wahren Schuldigen. Anscheinend sehen sie das als ihre Hauptaufgabe. Ziel ist, die Vorstände zu entlasten. Dazu krempeln 450 (!) Ermittler das Unterste zuoberst, um endlich die bösen Buben auf unterer Führungsebene dingfest zu machen. Oder vielleicht waren es sogar nur einfache Sachbearbeiter, das wäre natürlich noch besser. Der Autokritiker glaubt auch, dass faule und böse Ingenieure verantwortlich waren. Siehe Wer ist schuld: Die Ingenieure und Die Ingenieure sind schuld - Teil 2 (Der Postillon meint sogar, der Hausmeister war´s: http://www.der-postillon.com/2015/09/der-hausmeister-wars-vw-prasentiert.html )

 

Eine Firma wie BMW hat es da vergleichsweise gut. Die Hauptaktionäre greifen ein, sobald Vorstände anfangen, ein ungewolltes Eigenleben zu führen (z.B. Norbert Reithofer?). Oder sich zum Diktator aufschwingen, wie das VW üblich war. Einen Piëch, Winterkorn, Schrempp oder Wiedeking könnte es bei BMW nicht geben. Und damit für die Mitarbeiter auch nicht die Notwendigkeit, vor der Hierarchie in einem Maße zu zittern, dass sie ihr Heil lieber in kriminellen Handlungen suchen.

 

Im Volksmund heißt es: "Der Fisch stinkt vom Kopf." Oder auch: "Wie der Herr so´s G´scherr."

Aber am Ende läuft es doch immer auf dasselbe hinaus: "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen."

 

22.12.2015 Jacob Jacobson

 

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