Vergleich BMW X1 mit Einser: Size matters

#abb2c7

Der Autokritiker

Jacob Jacobson

puristisch - kritisch - anregend

 

AutoBild vergleicht BMW Einser mit X1: Size matters: Nur die Größe zählt!

 

 

Size matters - dieser Spruch, ursprünglich aus dem Bereich unterhalb der Gürtellinie, hielt inzwischen Einzug in viele Bereiche des Lebens. Deshalb auch, wen wundert´s, in die Welt der Automobile. Je größer, desto besser, das scheint inzwischen das Motto der Automobiljournalisten zu sein. Zwar beklagen sie oft selbst permanentes Größenwachstum und Gewichtszunahme. Testen sie aber zwei annähernd gleichwertige Autos, deren Hauptunterschied in der Größe besteht, folgen sie zwanghaft einer inneren Stimme, die besagt: "Size …." (siehe oben). Sie haben auch kein Problem damit, in ein und demselben Heft sowohl Kritik am Größenwachstum als auch Huldigung an riesige Innenräume unterzubringen. An geistiger Wendigkeit herrscht wahrlich kein Mangel.

 

Ein ausgezeichneter Beweis für diese Behauptungen findet sich in AutoBild Heft 49/2015. Zur Abwechslung langweilen uns die Tester diesmal nicht mit einem Vergleich Einser BMW gegen VW Golf. Denn der Golf gewinnt regelmäßig die Karosseriewertung mit derart großem Vorsprung, dass er durch nichts mehr auf der Welt aufzuholen ist. Diesmal haben sie sich eine ganz besondere Perfidie ausgedacht. Sie lassen den Einser BMW gegen den neuen X1 aus gleichem Hause antreten. Fairerweise muss man zugeben, dass sie nicht nur BMW aufs Korn nehmen, sondern die gleiche Prozedur zehn weiteren Kandidaten angedeihen lassen.

 

Das ganze läuft unter dem Titel:

"Ist höher immer besser? Kompakter gegen SUV - wir vergleichen in elf Paarungen, ob sich der Aufstieg lohnt."

 

Der Begriff "Aufstieg" stellt von vorneherein klar, wie AutoBild die beiden Kategorien einschätzt. Mit einem SUV erhebt man sich gemäß AutoBild aus den Niederungen der gewöhnlichen Automobile hinauf in die höheren Sphären der "Sport Utility Vehicle". Da ist es nur logisch, dass von den im ersten Durchgang getesteten sechs Paarungen viermal der SUV gewinnt. Bei den beiden Paarungen, bei denen der Kompakte besser abschneidet, waren die SUVs zu wenig SUV-mäßig, d.h. sie waren kaum größer als die Kompakten. Zu klein eben. Da muss zwangsläufig der Autokritiker etwas genauer hinschauen, ob die subjektive Meinung der Tester durch Fakten belegt ist. Bei der Analyse des Bewertungsverfahrens konzentrieren wir uns auf BMW, denn dort fallen die Unterschiede am gravierendsten aus.

 

Der Einser BMW ist als fahraktives Fahrzeug bekannt, mit einer hervorragenden Straßenlage, einer präzisen Lenkung und einem leichtfüßigen, sportlichen Handling. Auf diesem Gebiet macht ihm so schnell kein anderer Kompakter etwas vor. Er verdankt seine Fahrwerkseigenschaften dem entscheidenden Alleinstellungsmerkmal in dieser Klasse, dem Heckantrieb.

 

Traurig aber wahr: Die Uhr für den Heckantrieb in dieser Klasse ist auch bei BMW abgelaufen. Der Nachfolger muss sich wohl oder übel in die Frontantriebs-Plattform einsortieren. Diese besteht aus den diversen Minis, dem Active Tourer und dem Gran Tourer, und auch dem X1. (Sollten Abarten dieser Plattform nicht aufgeführt sein, liegt es daran, dass der Autor den Überblick über die Unzahl der Varianten verloren hat.) Die Frontantriebshysterie hat mehrere Konsequenzen (außer dass Sie den harten Kern der BMW-Anhänger verprellt). Eine davon ist, dass damit der Sechszylinder-Reihenmotor in dieser Klasse der Vergangenheit angehört. Eine weitere Folge betrifft die übertragbaren Leistungen. Spätestens ab 200 PS benötigt der Frontantrieb dringend Unterstützung durch eine angetriebene Hinterachse. Deshalb gibt es nur noch den 1,8d und 1,8i mit schwächlichen 150 PS als reine Fronttriebler (der 1,8i sogar mit nur drei Zylindern). Alle anderen Motorvarianten sind ausschließlich als Allrad erhältlich, sogar der mit Abstand beste und beliebteste Motor, der 2,0 Diesel.

 

Leider wollten sich die Tester mit dieser Motorvariante nicht zufrieden geben. Für den Vergleich musste es der 2,5d sein. Er besitzt zwar den gleichen Hubraum wie der 2,0, ist aber stärker aufgeblasen. Und so gehen sie an den Start: 125d Fünftürer gegen X1 xDrive 25d.

 

In die Tabelle der technischen Daten wurden absichtlich die beiden 2,0 Liter Varianten mit aufgenommen, denn erstens handelt es sich um die meistverkauften Modelle, und zweitens tritt dort der Unterschied im Verbrauch und den Fahrleistungen noch stärker zu Tage.

 

So sieht die Wertung der Tester aus:

 

 

Die Sternevergabe im Detail:

 

Karosserie:

Was berechtigt AutoBild dazu, dem Einser zwei Sterne bei der Karosseriewertung abzuziehen? Wenn man den Tester mit dem Zollstock den Innenraum abmessen sieht, weiß man´s. Die schiere Größe des Innen- und des Kofferraums. Sehr beliebt ist auch die Beinfreiheit auf der Rücksitzbank. Dabei orientiert man sich für gewöhnlich an einem Zwei-Meter-Mann. Endlich ein richtiger Fond, sogar mit Aufklapptischchen. Da geht dem Tester das Herz auf und der verbale Gaul durch. Ein wichtiges Kriterium sind auch die Ein- und Ausstiegsverhältnisse. Haben die Tester ihr Herz für Senioren entdeckt oder sind sie vielleicht selbst schon in die Jahre gekommen und von Arthritis geplagt?

Vier Sterne für den X1, nur zwei Sterne für den 1er: Ist das nicht arg übertrieben? Ganz so schlecht sind die Platzverhältnisse im 1er wirklich nicht. Er hat alles, was einen modernen Kompaktwagen auszeichnet. Es gab auch einmal Zeiten, da wurde BMW für den knapp geschnittenen, passgenauen Fahrerarbeitsplatz gelobt. "Passt wie ein Handschuh" waren die positiven Kommentare. Sind die Tester im Laufe der Jahre mit den Autos mitgewachsen, in der Breite und im Gewicht? Es soll noch Menschen geben, die nicht 1,90 Meter groß sind oder einen BMI von 30 mit sich herumschleppen. Menschen, die sich in einem überdimensionierten Fahrzeug verloren vorkommen.

Zudem reicht es nicht, nur isoliert die Innenmaße millimetergenau zu registrieren, muss man auch die Außenabmessungen berücksichtigen. Den Testern sei empfohlen, Ein- und Ausstieg in einer Normgarage zu untersuchen. 56 Millimeter ist der X1 breiter, dazu kommen noch ca. 10 mm mehr Sicherheitsabstand beim vorsichtigen Navigieren in die Garage, ergibt einen um 66 mm engeren Spalt zwischen Fahrzeugtür und Garagenwand, und damit einen deutlich kleineren Tür-Öffnungswinkel. 110 Millimeter Unterschied in der Länge sind ebenfalls kein Pappenstiel, falls es ans Einparken geht. Handelt es sich bei den Autos vor und hinter der Parklücke um normale Limousinen, ist Blindflug angesagt. Die Abstandspiepser haben Hochkonjunktur.

Der langen Rede kurzer Sinn: Einen Stern Differenz könnte man zur Not gelten lassen. Zwei Sterne auf keinen Fall.

 

Komfort:

Einen halben Stern Unterschied, weil der X1 etwas komfortabler federt? Geschenkt.

 

Fahrspaß:

Hier schlägt die Stunde des 1ers. Nur 1 Stern mehr für Fahrleistungen und Straßenlage, das ist viel zu knauserig. "Die Wahrheit is´ auf´m Asphalt", würde man analog zum Fußball sagen. Die Stunde der Wahrheit schlägt erst bei einem seriösen Vergleich mit Elchtest, Slalom und Handlingkursen. Gut möglich, dass der eine Stern Gesellschaft durch einen weiteren bekommt.

 

Image:

Der 1er von BMW besitzt ein hervorragendes Image, an das der alte X1 nicht annähernd heranreichte. Ob sich der Neue gleich um einen ganzen Stern über den 1er aufschwingt, darf man ruhig bezweifeln. Ein Stern mehr als der 1er bekäme z.B. der Dreier-BMW. Von dem ist der X1 deutlich entfernt.

 

Kosten:

In den Kosten verrechnet AutoBild Anschaffungspreis und Verbrauch. Der 120d hat ähnliche Fahrleistungen wie der X1 25d, verbraucht im Durchschnitt um 1 Liter weniger, und kostet knapp 10.000 Euro weniger. Und dafür gibt es nur einen Stern mehr? Richtig wäre ein Unterschied von mindestens zwei Sternen zugunsten des 1ers.

 

Was vermissen wir? Z.B. Umwelt:

Anscheinend spielt der Verbrauch in Zeiten billigen Kraftstoffs keine Rolle mehr. Kann sich AutoBild nicht vorstellen, dass sich manche Menschen aus Umweltgesichtspunkten ein sparsames Fahrzeug zulegen? Mit der Lobhudelei auf schiere Größe und Allradantrieb sendet AutoBild ein völlig falsches Signal. Muss denn wirklich erst der Sprit teurer werden oder eine Benzinkrise eintreten, um dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen? Der Verbrauch und die Emissionen waren einmal die wichtigsten Kriterien.

 

Wachstum pflanzt sich fort

Denken wir einmal an den X3. Der muss zwangsläufig beim Nachfolgemodell größer werden, um den hierarchischen Abstand wieder herzustellen. Als Nächstes folgt der X5, gefolgt vom X6. Das Wachstum der Kleinen wirkt sich nach und nach auf die Größeren aus. Bei den Limousinen von BMW und VW ist dieser Dominoeffekt schön zu beobachten.

Besorgt fragen Autofahrer in Leserbriefen: "Muss das Größenwachstum wirklich sein?" Die Antwort kann nur lauten: Ja, unbedingt. Die Autozeitschriften geben die Richtung vor, und die Hersteller richten sich danach. Wohl oder übel, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Die von AutoBild gestellte Frage: "Lohnt sich der Aufstieg?", muss man mit einem eindeutigen "Jein" beantworten. Für arthritische Rentner oder übergewichtige Zeitgenossen, die aus einem Kompakten nur noch schlecht hochkommen, und das nötige Kleingeld besitzen, empfiehlt sich der Umstieg zu einem SUV. Für alle anderen "lohnt" es sich keinesfalls.

 

Wie könnte man die Größen- und Gewichtsspirale umdrehen? Vielleicht mit einer Initiative ähnlich dem Opel Slogan "Umparken im Kopf". Der passende Spruch würde in diesem Fall lauten:

 

"Kopfspirale umdrehen: Small is Beautiful."

 

 

10.12.2015 Jacob Jacobson

 

Hier ist Platz für Ihre

 

  • Fragen

 

  • Meinungen

 

  • Kritiken

 

  • Anregungen

 

  • Korrekturen

 

  • Hinweise

 

  • ..........